Das gebundene Rohrdach

Allgemein:

Das gebundene Rohrdach ist die Urform der Decktechnik für weiche Bedachungen und kann als der Vorläufer des genähten Daches betrachtet werden. Dächer mit weicher Bedachung müssen lt. LBO Schleswig-Holstein mit nichtbrennbaren Materialien, z.B. Stahldraht, befestigt werden. Um im Brandfall ein Abrutschen der Reetdeckung zu verhindern, dürfen auch keine brennbaren (hölzernen) Bandstöcke mehr verwendet werden. Daher wird heutzutage meistens Stangendraht (4,6 – 10 mm Stärke) benutzt.

Vorteile des gebundenen Reetdaches sind:

  • Die gebundene Dachdeckung kann von einer Person durchgeführt werden und erfolgt ohne Gegennäher, d.h. es kann sowohl Personal als auch ein Gerüst auf der Innenseite des Daches eingespart werden.
  • Ausgebaute Dachböden können einfach neu gedeckt werden, ohne dass die Innenverkleidung oder Dämmung entfernt werden müssen.
  • Durch den Stangendraht erhält die Deckung eine gute Festigkeit.
  • Die Decktechnik des Bindens erlaubt ein schnelleres Decken und ist mit geringerer körperlicher Anstrengung des Dachdeckers möglich.

Die Ausführung:

Für das Binden des Daches braucht der Rohrdachdecker die runde Nadel, das Schiffchen oder eine Bindenadel mit Öse und die Bindenadel mit Widerhaken. Die Dachdeckung beginnt meist an der Traufe des rechten Giebels auf der dem Wetter abgewandten Dachseite. Auf der untersten Dachlatte legt man die Reetbunde mit nach unten gerichteten Wurzelenden nebeneinander und löst deren Bindungen, so dass man das Schilfrohr in einer festen circa 10 cm dicken Schicht mit dem geforderten Dachüberstand auslegen kann. Auf der Dachlattung sollte als erstes eine etwa 30 mm dicke Schicht aus Reet verlegt werden. Diese Vorlage soll verhindern, dass die Spitzen der Deckbunde unter die Latten getrieben werden. Die ersten Lagen werden sowohl durch die Bindung als auch durch die sog. Beugespannung am Dach gehalten. Die Spannung wird dadurch erzeugt, dass die Auflagenkante an der Traufe um 5 – 7 cm in Bezug auf die Dachlattenebene erhöht ist (hierfür werden sog. Traufbretter verwendet). Das Maß der Überhohung wird Kniep oder Knipp genannt. Durch die auf das Schilf drückenden Stangendrähte werden die einzelnen Lagen in Spannung gebracht, so dass die zunächst geraden Halme ihre charakteristische Biegung erhalten. Diese Biegung pflanzt sich dann auf allen folgenden Lagen fort. Für die erste Lage wird daher meist kurzhalmiges Reet verwendet, da es sich besser der Kniep anpassen kann. Die Dachdeckung sollte das Gebäude allseitig um mindestens 50 cm überragen, wobei der Überstand der Deckung der Traufe gemessen am Mauerwerk oder Gesims 15 – 30 cm betragen soll. Die sichtbare Traufdicke sollte mindestens 30 cm betragen. Die Traufenden sind in Nordwestdeutschland meist waagerecht, in Mecklenburg-Vorpommern meist in einem Winkel zur Dachoberfläche versehen (Mecklenburger Traufe). Der Winkel der Traufe sollte maximal 85° zur Dachoberfläche betragen. Mit einem Haltestock werden circa 1 m breite und 10 – 20 cm dicke Lagen mit Hilfe von Knechten festgedrückt. Die Wurzelenden der ersten Lage (auch Bordschicht oder Brücke genannt) werden dann mit dem Klopfbrett hochgeklopft und in die gewünschte Form gebracht. Nun wird der Schacht (Stangendraht) über diese erste Reetlage gelegt und festgebunden. Bei dem Binden des Daches wird von einer Spule Bindedraht in die (meist gebogene) Nadel eingefädelt und oberhalb der Dachlatte durch die Deckschicht eingebracht. Mit einer zweiten Nadel (mit Widerhaken) greift man unterhalb der Dachlatte den Bindedraht der gebogenen Nadel und zieht diesen wieder heraus. Der Bindedraht wird durchtrennt, ein Drahtende wird nun zu einer Schlaufe geflochten, das zweite Drahtende hindurch gesteckt, festgezogen und verknotet, so dass der Schacht die Schilflage niederdrückt. Je laufenden Meter werden 5 – 6 Bindungen benötigt, der Abstand der Bindungen sollte 25 cm (bei sehr steilen Dächern 20 cm) nicht überschreiten (lt. Fachregel für Dachdeckungen mit Reet). In den folgenden Lagen wird darauf geachtet, dass die Bindungen versetzt zu der vorherigen Lagen angeordnet sind. Die Reetdeckung sollte in der Fläche rechtwinklig zur Dachoberfläche mindestens 0,3 m betragen. Beim Dachdecken wird die Dachstärke mit der Maßeinteilung auf der Bindenadel gemessen. So wird Lage für Lage bis zum First auf das Dach aufgebracht, durch das Überdecken der einzelnen Lagen liegt die Bindung in der Mitte der Dachhaut. Nach dem Binden einer Lage wird diese durch das Hochtreiben der Schilfhalme mit dem Klopfbrett in eine fluchtrechte Lage mit der ganzen Fläche gebracht. Nach Möglichkeit sollte die ganze Länge des Daches auf einmal gedeckt werden. Die Dachkehlen (die Schnittstelle zweier Dachflächen) sollten die 1 ½fachen Dicke der Flächendeckung aufweisen. In manchen Fällen wird die Bindung jeder Decklage mit 500er Bitumenpappe abgedeckt. Die Dachneigung von Dachflächen, die in Kehlen zusammenstoßen, sollte mindestens 40° betragen (lt. Fachregel für Dachdeckungen mit Reet). Die Kehlen sind ausgerundet zu decken und können durch Einbringen einer zusätzlichen Querlattung breiter gestaltet sein.
Wenn die Reetdeckung im Kehlbereich an eine anders gedeckte Dachfläche anschließt, wird die Kehle unterdeckt. Die Deckung eines Grates sollte abgerundet sein. Direkt auf dem Grat sollten die Halme in Richtung Gratsparren liegen und sind dann seitlich anstoßend in die normale Richtung zu bringen. Die Giebelkante eines Reetdaches (Ortgang) ist der Witterung besonders stark ausgesetzt, so dass bei starkem Wind Schäden entstehen können. Um Schäden zu vermeiden, kann man sog. Windbretter (Ortgangbretter) verwenden, es kann auch ein schmales Windbrett oder kein Windbrett verwendet werden. In diesem Fall sollten die Giebelkanten mit dem Werkstoff der Dachfläche und gegen eine Kniep gedeckt werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Dachhaut mindestens 15 – 25 cm über die Giebelwand hinausragen sollte und die Lage der Halme nicht mehr als 45° zum Ortgang geneigt sein darf (lt. Fachregel für Dachdeckungen mit Reet). Für die Ausführung ohne Kniep sollen die Halme etwas 5° zum Ortgang geneigt sein. Für die Giebelkanten sollte zudem dünnhalmiges Rohr verwendet werden. Gauben können in jeder Form gedeckt werden, die Anschlüsse sind dabei abzurunden und sollten die 1 ½ – bis 2 fache Stärke der Dachhaut aufweisen. Gauben sollten eine Dachneigung von mindestens 40% aufweisen (lt. Fachregeln für Dachdeckungen mit Reet). Die Gaubenkonstruktion muss von Graten, Kehlen, Ortgängen oder anderen Dachgauben so weit entfernt sein, dass die Gaubendeckung mit einem Abstand von 0,6 m in die Dachdeckung einbindet. Die Traufen an den Dachgauben sollten so gestaltet sein, dass das Niederschlagswasser möglichst weit auf die Hauptdachfläche abgeführt wird. Die Anschlüsse mit anderen Deckwerkstoffen und aufgehenden Bauteilen können als verdeckte oder aufliegende Anschlüsse erfolgen. Bei der Ausführung mit Metall liegen die verdeckten Anschlüsse unter oder in der Reetdachschicht und sind somit nicht sichtbar. Bei der aufliegenden Ausführung liegt das Anschlussblech fest auf der Deckung und wird entsprechend der „Fachregel für Metallarbeiten im Dachdeckerhandwerk” ausgeführt. Der wandseitige Anschluss kann ein- oder zweiteilig erfolgen, der obere Anschluss muss regensicher erfolgen. Anschlüsse an aufgehenden Bauteilen können konstruktiv auch durch Mauervorsprünge oder Aussetzungen (Katzentreppen) gestaltet werden. Bei der Planung der Kamine müssen die bauaufsichtlichen Bestimmungen (Landesbauordnung) beachtet werden. Schornsteine bei Gebäuden mit weicher Bedachung müssen beim Dachfirst austreten und diesen um mindestens 80 cm überragen. Kamine sollen von Kehlen, Graten und Dachgauben mindestens 1 m entfernt sein. Schornsteine sollten zudem feuerbeständig, ausreichend wärmedämmend und gegen Rauch- und Wärmebeanspruchung widerstandsfähig und dicht sein. Bei weicher Bedachung sollten 50 cm unter der Dachhaut die Wangen des Schornsteins aus Gründen der Feuersicherheit 24 cm dick sein. Der Rapputz auf den frei liegenden Außenflächen innerhalb des Gebäudes sollte eine Stärke von mindestens 5 mm vorweisen. Der Anschluss der Reetdachdeckung am Kamin sollte mittels Unterschneidung des Kaminmauerwerks hergestellt werden. Lassen sich diese nicht herstellen, sollte der Anschluss als seitlicher Wandanschluss erfolgen. Der trauf- und firstseitige Anschluss ist gemäß der „Fachregel für Metallarbeiten im Dachdeckerhandwerk auszuführen“.